CI - Gedanken zum Cochlea Implantat
- Annamaria
- 19. Jan. 2023
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Apr. 2023
Vor 3 Monaten hatte ich einen Hörsturz auf dem rechten Ohr. Auf dem Linken höre ich schon seit 4 Jahren nichts mehr. Und plötzlich kommt das Cochlea Implantat zur Sprache. Für das rechte Ohr und eventuell auch für das Linke. Das müsse man erst prüfen.
Und schon kommt auch die Hoffnung. Hoffnung wieder "normal" hören zu können, ohne Kommunikationsschwierigkeiten weil es gerade zu laut ist, oder weil der Gegenüber einfach zu leise spricht, eine Maske auf hat, oder in seine Hand nuschelt. Und genauso schnell kommt auch die Ernüchterung. Jahrelanges Hörtraining nach der Operation, es gibt trotzdem keine Gewissheit, dass es bei mir funktioniert. Es braucht viel Geduld, und am Anfang ist es wahrscheinlich zunächst erst eimal nur ein "Klingeln". Ach ja, und dann noch der Fakt, das es bei mir trotzdem nur vorübergangasweise sein wird. Irgendwann werde ich trotzdem taub sein. Wann das ist, egal ob CI oder nicht, kann niemand sagen.
Mein Hörsturz war leider nichts außergewöhnliches bei Akustikusneurinomen und somit auch bei NF2. Irgendwann macht es einfach "Klack" und man hört nichts mehr, oder ist plötzlich hochgradig schwerhörig. Bei mir fing es an einem Mittwoch Abend an. Ich hatte das Gefühl das ich irgendwie schlecht höre, machte mir aber nicht weiter Gedanken, da das öfter vor kam. Es gab eben gute und schlechte Tage. Ich hatte zudem Kopfschmerzen und bin daher früh ins Bett gegangen. Am Donnerstag musste ich früh raus, da ich einen Frauenarzt Termin hatte und davor noch duschen wollte. Beim aufstehen kam mir schon irgendwas komisch vor, aber ich konnte es nicht einordnen. Dann ging ich duschen und es hörte sich alles so "dumpf" an. Ich duschte also im Eilverfahren und versuchte mir nicht allzu viele Gedanken zu machen. Mein erster Gedanke war aber "Jetzt ist es also soweit, ich bin taub". Da fühlte ich irgendwie Erleichterung. Ich freute mich nicht, dass ich jetzt keine Musik mehr hören konnte, keine TrueCrime Podcasts, das ich ohne Audio-Text- Übersetzer mit niemanden mehr kommunizieren konnte. Nein, ich freute mich, dass ich nicht mehr warten musste. Warten das ich taub werde und mein Leben sich grundlegend verändert.
Am Freitag sagte ich es dann meinen Eltern, und dann ging der Arzt Marathon los. Von Notaufnahmen, zu Hörtests, zu weiteren Gesprächen, bei denen ein Chefarzt geholt wurde. Das ist der Fluch und sowohl auch Segen von NF2 Patienten. Ohne es anzufordern bekommen wir Chefarztbehandlung. Doch niemand konnte etwas unternehmen. Abwarten, 10 Tage Kortison Therapie, Hörgeräte anpassen und hoffen, dass es sich verbessert. Das hat es auch ein wenig. Podcasts kann ich voll aufgedreht mit Kopfhörern hören (kommt hier aber auch auf die Stimme an, Männerstimmen sind an sich einfach schlechter für mich zu verstehen). Musik ist inzwischen wieder angenehm beruhigend und Filme und Serien gehen nun auch wieder (alles auf Deutsch, mein Sprachverständnis hat unter dem Hörsturz sehr gelitten). Und so war ich nun nicht mehr schwerhörig sondern hochgradig schwerhörig und klickte immer wieder die Nachricht "Lautstärke senken empfohlen" auf meinem Handy weg. Kann man nicht irgendwo einstellen das man schwerhörig ist und es daher so laut stellen muss? Zunächst war ein Hirnstammimplantat im Gespräch. Dann ein Cochlea Implantat. Das hätte zumindest weniger Risiken als ein Hirnstammimplantat.
Also kamen und auch kommen noch mehr Arzt Termine, um abzuklären ob ein Cochlea Implantat überhaupt in Frage käme. Zunächst las ich von vielen positiven Fällen, deren Leben "gerettet" wurde, da sie nun wieder hören konnten. Und dann begann ich auch die andere, kritischere Seite zu betrachten.
Warum möchte ich ein Cochlea Implantat?
Möchte ich es für mich? Möchte ich weitere Jahre Musik und Podcasts hören? Möchte ich weiter mit meinen Freunden und meiner Familie kommunizieren können?
Ja, natürlich möchte ich das. Wenn ich jedoch taub werde, schließt es all das aus? Nein! Musik kann ich trotzdem "hören". Podcasts sind meines Wissens nicht möglich, aber das kann ich genauso gut auch lesen. Sowieso besser, denn dann nehme ich mir bewusst Zeit dafür und mache nicht tausend Sachen gleichzeitig. Kommunizieren mit Freunden und Familie geht auch wenn ich taub bin, indem wir die Gebärdensprache lernen!
Und genau da ist das Problem. Ich habe Angst, dass keiner oder zumindest nicht alle die Gebärdensprache lernen und ich somit Freunde verliere und bei Familienfeiern nur mit Dolmetscher (wie zum Beispiel meine Schwester die unbedingt Gebärdensprache lernen will, es aber bisher nicht "geschafft" hat) klarkomme. Es sollte eigentlich verständlich sein, dass Freunde und Familie die Gebärdensprache dann lernen, selbst wenn es nur ein paar Basics sind. Das ist es jedoch nicht.
Und was ist mit Alltagssituationen wie Einkaufen beim Bäcker oder Metzger oder in der Apotheke? Ja das wird mir alles erschwert. Aber ist es das Wert das Risiko einer OP einzugehen, wenn all meine Bedenken die Kommunikation mit der Gesellschaft, die sich nicht mir anpassen will, sind? Freunde und Familie können einfach die Gebärdensprache lernen. Wenn sie das nicht wollen, sind sie dann richtige Freunde, wenn sie erwarten, dass ich mich anpasse? Obwohl das das Einzige ist was ich dann nicht kann? Ich kann nicht "einfach" hören, aber sie können "einfach" die Gebärdensprache lernen.
Ich habe einfach Angst meine Entscheidung für die OP nur zu treffen, weil es von der Gesellschaft so erwartet wird. Es wird erwartet, dass ich mich als behinderte Person anpasse und nicht dass sich meine Umgebung mir anpasst.
Das die Gesellschaft von einem erwartet, sich anzupassen, und sich einer OP zu unterziehen, um "normal" zu sein, sieht man schon daran das mir als erstes Vorgeschlagen wurde zu Operieren. Erst dann kam das Gespräch auf Gebärdensprache und bei späteren Terminen dann letztendlich auch auf Risiken der OP und die Schwierigkeiten, dass ein Cochlea Implantat nicht immer die gewünschte Wirkung erzielt.
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